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Bundesrätzliche Strategie zur Informationsgesellschaft

Vor knapp einem Jahr wurde die "Strategie des Bundesrats für eine Informationsgesellschaft in der Schweiz" (pdf) veröffentlicht. Nächste Woche findet nun ein Workshop statt, um diese Strategie zu erweitern und zu konkretisieren. Wir werden daran ebenfalls teilnehmen, in der Gruppe Kultur, auch wenn wir der Übung etwas skeptisch gegenüber stehen. Denn weder das Mandat des Workshops ist klar, noch was mit den erarbeiten Ideen geschehen soll. Wir werden ja sehen.

Im Vorfeld wurden wir gebeten, ein Input Statements für den Workshop abzugeben. Hier ist der Abschnitt Kultur aus dem Strategiepapier und mein Input Statement (pdf).
Kultur
Die IKT ermöglichen neue künstlerische Ausdrucksformen. Sie können zudem zur Förderung der kulturellen Vielfalt und Identität, der sprachlichen Vielfalt und der Schaffung lokaler und regionaler Inhalte beitragen. Die Entwicklung und Produktion der Medienkunst, ihre Vermittlung sowie die Aus- und Weiterbildung in Nutzung und Anwendung derselben sind zu fördern. Dabei ist das Schwergewicht auf die Vernetzung und auf Partnerschaften von Kulturschaffenden, Wirtschaft, Ausbildungsinstitutionen und Forschung zu legen.

Die Medienkunst und ihre Vorläufer sind ebenso Teil des nationalen Erbes wie alle übrigen Kulturgüter. Die Bestände in schweizerischen Museen und Sammlungen sollen erfasst werden. Damit sie erhalten und auch künftig genutzt werden können, sind Standards für ihre Beschreibung und Normen für ihre technische Konservierung zu erarbeiten.

Die multimedialen und interaktiven Möglichkeiten sind für die Kulturvermittlung zu nutzen. Die Bestände der Bibliotheken, Archive, Museen und ammlungen sind so zu erschliessen, dass sie allen über das Netz zugänglich sind. Dabei ist die Zusammenarbeit von Bund und Kantonen zentral. Für die undeseigenen Bestände werden die im Rahmen von Ziffer 4 der Strategie erarbeiteten Grundsätze analog anzuwenden sein
(elektronische Verwaltung).

Der Schutz des Eigentums und des Urheberrechts ist zu gewährleisten. Dabei ist ein Ausgleich der Interessen der Urheberinnen und Urheber und der Nutzenden zu beachten. Die Organisationen der Kulturschaffenden spielen in diesen Bereichen eine wichtige Rolle und bedürfen der öffentlichen Förderung.

Das EDI wird beauftragt, die laufenden Massnahmen zur Förderung der Medienkunst zu konsolidieren sowie die Vorarbeiten für die elektronische Erschliessung der Bestände voranzutreiben und insbesondere auf ihre Machbarkeit hin zu überprüfen.

DRM: Dead on Arrival.

Die Musikindustrie ist mitten in einer tiefen Umstrukturierung, die mit sehr langsamen Lernprozessen verbunden ist. Eine Erkenntnis scheint sich durchzusetzen: Man kann den Kunden nicht Dinge verkaufen, die weniger nützlich sind, als Dinge, die man auch gratis bekommen kann. Konkret heisst das, warum soll jemand für eine Musikstück zahlen, dessen Gebrauch durch DRM limitiert ist, wenn er/sie sich das selbe Musikstück auch ohne diese Limitatierungen (sprich in mp3 format) kostenlos (oder viel billiger) runterladen kann? Um das überzeugend argumentieren zu können, wird es noch viele "Sensibilisierungskampagnen" brauchen. Weil nicht einmal mehr die Musikindustrie daran glaubt, dass dies ein erfolgversprechender Weg ist, scheint DRM langsam aber sicher vor dem aus zu stehen.

Das CH-Branchenportal Persönlich schreibt dazu:
Sollten sich die grossen Musiklabels wie EMI, Sony, BMG oder Warner dem MP3-Format tatsächlich öffnen, käme dies einer Kapitulation vor der Macht des Internets gleich. Die Verkäufe von legalen Musikdownloads verlangsamten sich im vergangenen Jahr und sind damit weit entfernt davon, die Einbrüche bei den physischen Verkäufen zu kompensieren. Bislang haben sich die Grossen in der Branche dagegen gewehrt, Musiktitel im MP3-Format im grossen Stil anzubieten. Kleinere Indie-Labels verkaufen hingegen seit Längerem Musikdownloads im MP3-Format, die per E-Mail verschickt, auf Computer, MP3-Player kopiert und auf CDs gebrannt werden können. Sie sehen darin ein Marketing-Instrument, das langfristig für Verkäufe sorgt.

Das scheint mir nur teilweise zu stimmen. Es ist sicherlich auch ein Versuch der Musikindustrie, sich aus der Dominanz von Apple zu befreien. Nur deren DRM kann auf dem IPod (Marktanteil gegen 80%) abgespielt werden und damit können sie der Musikindustrie die Bedingungen diktieren. Ohne DRM kann man Apple umgehen und trotzdem noch die Besitzer von IPods ansprechen. Wie dem auch sei, die Richtung ist erfreulich.

Stop Piracy CH

Vor wenigen Tagen wurde in der Schweiz die "Sensibilisierungskampagne" Stop-Piracy.ch gestartet. Die Plakate im öffentlichen Raum sind ja kaum zu übersehen. Immer interessant sind die Zahlen, mit denen hantiert wird. Von Milliardenverlusten und einem rasent wachsenden Problem ist das schnell die Rede. Wenn man sich aber die Zollstatistik anschaut, die freundlicherweise ebenfalls auf der Seite zu finden ist, dann wird klar, dass was in den letzten Jahren massiv gestiegen ist, ist die Zahl der Interventionen des Zolls, nähmlich von 65 im gesammten Jahr 2000 auf 572 im Jahr 2005. Im gleichen Zeitraum hingegen ist der Wert der dabei festgehaltenen Waren massiv, von 17.6 auf 10.3 Millionen CHF, gefallen.

Es geht nicht darum zu argumentieren, dass Produktefälschung niemals ein Problem ist, bei Medikamenten und Autoteilen gibt es offensichtliche gesundheitliche Risiken. In der Musikbranche ist die Sache schon einiges vielschichtiger. Aber wie immer wird mit extrem alarmistischen Mittel gearbeitet, mit Statistiken, die auf sehr dünner Grundlage beruhen, nur um eine offensichtlich problematische Vorstellungen vom Besitz und Kontrolle von geistigem Eigentum durchzusetzen. Eine faire Informationskampagne zu diesem komplexen Themenfeld würde sicherlich anders aussehen.

Ständerat stimmt UHR Revision zu

Der Ständerat hat der Revision des UHR, wie sie von der Rechtskommission vorbereitet wurde (die ihrerseits dem Vorschlag des Bundesrates im wesentlichen folgte), ohne viel Debatte zugestimmt. Das Protokoll der knapp 3 stündigen Sitzung ist hier nachzulesen.

Der Artikel zum rechtlichen Schutz technischer Massnahmen sieht nun als folgendermassen aus:
3a. Titel: Schutz von technischen Massnahmen und von Informationen fu?r die Wahrnehmung von Rechten

Art. 39a (neu) Schutz technischer Massnahmen

1 Wirksame technische Massnahmen zum Schutz von Werken und anderen Schutzobjekten du?rfen nicht umgangen werden.

2 Als wirksame technische Massnahmen im Sinne von Absatz 1 gelten Technologien und Vorrichtungen wie Zugangs- und Kopierkontrollen, Verschlu?sselungs-, Verzerrungs- und andere Umwandlungsmechanismen, die dazu bestimmt und geeignet sind, unerlaubte Verwendungen von Werken und anderen Schutzobjekten zu verhindern oder einzuschra?nken.

3 Verboten sind das Herstellen, Einfu?hren, Anbieten, Vera?ussern oder das sonstige Verbreiten, Vermieten, zum Gebrauch U?berlassen, die Werbung fu?r und der Besitz zu Erwerbszwecken von Vorrichtungen, Erzeugnissen oder Bestandteilen sowie die Erbringung von Dienstleistungen, die:

a.Gegenstand einer Verkaufsfo?rderung, Werbung oder Vermarktung mit dem Ziel der Umgehung technischer Massnahmen sind; oder

b. abgesehen von der Umgehung technischer Massnahmen nur einen begrenzten wirtschaftlichen Zweck oder Nutzen haben; oder

c. hauptsa?chlich entworfen, hergestellt, angepasst oder erbracht werden, um die Umgehung technischer Massnahmen zu ermo?glichen oder zu erleichtern.

4 Das Umgehungsverbot kann gegenu?ber denjenigen Personen nicht geltend gemacht werden, welche die Umgehung ausschliesslich zum Zweck einer gesetzlich erlaubten Verwendung vornehmen

Positiv ist, dass der Art. 4 erhalten blieb, der die bestehenden Schranken des UHR auch gegenüber DRM anerkennt, auch wenn es noch völlig unklar ist, wie das in der Praxis gehandhabt werden soll. Im EU Vergleich ist diese Regelung relativ liberal, denn in den meisten Staaten der EU gibt es so etwas wie den Art 4. nicht und die Schrankenbestimmungen werden durch DRM faktisch aufgehoben.

Wie es scheint, wurden unsere Anliegen weder debattiert noch sonstwie aufgenommen. Nicht dass uns das wirklich überrascht. Das Geschäft geht nun an den Nationalrat.

Eine ausführliche Zusammenfassung der Debatte findet sich bei heise.de.

Audiovision Schweiz: We Love DRM

Da denkt man, die Schweiz sei ein kleines Land, in dem man sofort alles erfahre, und siehe da, es braucht trotzdem über einen Monat, bis wir auf einen Brief (pdf) der Audiovision Schweiz, der sich gegen die Kunstfreiheit wendet, aufmerksam werden (danke Daniel!). Und das, obwohl es heisst, an uns sei auch eine Kopie gegangen. Naja, angekommen ist sie jedenfalls nicht.

Die Audiovision Schweiz ist eine Verband von Unternehmen, die "sich durch den Abschluss von Verträgen mit Rechteinhabern die Befugnis haben einräumen lassen, deren urheberrechtlich geschützte Werke in der Schweiz auszuwerten." Mit anderen Worten, die Verwertungsindustrie.

In diesem Brief, der an den Bundesrat und die Mitglieder der Rechtskommissionen ging, wird mit erfrischender Klarheit die Position der Verwerter, die an der maximalen Kontrolle der Werke interessiert sind, vertreten. In diesem Sinne soll es kein Recht von Kulturschaffenden geben, auf bestehende Werke zurückzugreifen, das Zitatrecht soll nicht einschliessen, dass man auch tatsächlich direkte Übernahmen machen kann (die Frage, wie man sonst ein Bild oder eine Filmsequenz zitieren soll, bleibt natürlich unbeantwortet) und überhaupt, geht es "mit der Revision nicht darum, den Urheberrechtsschutz in Frage zu stellen, sondern ihn an die neuen digitalen Auswertungsmöglichkeiten anzupassen." Was in den Augen der Audiovision Schweiz nur heissen kann, dass der Schutz der Verwerterinteressen, die eben durchaus mit denen der KünstlerInnen nicht deckungsgleich sind, über alle anderen zu stellen sind. Das schöne an diesem Brief ist, dass dies in aller Deutlichkeit gesagt wird. Keine verwirrenden Nettigkeiten, sondern blankes Eigeninteresse.